Welche Stellung habe ich vor dem Herrn?

2. Mose 33 weist ein Paradoxon auf. Vers 11 sagt uns: „Und der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund redet.“ Doch wenige Verse später lesen wir: „(Gott) sprach ... Du kannst <es> nicht <ertragen>, mein Angesicht zu sehen, denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“ (33,20). Das meint buchstäblich: „ Mein Angesicht wird nicht gesehen werden.“

Was sollen wir damit anfangen? Ein Vers sagt uns, dass Moses das Angesicht des Herrn sah. Aber ein anderer erklärt klar, dass niemand Gottes Angesicht sehen und es überleben kann.

Eigentlich blickte Moses nicht buchstäblich in Gottes Angesicht. Stattdessen spricht dieser Vers von einer unfassbaren Intimität, die Moses mit Gott hatte. Er spricht von Einsichten und Offenbarungen, die der Herr Moses aufgrund ihrer Verbindung gab. Moses verbrachte ganze Tage in Gottes Gegenwart und suchte, ihn kennen zu lernen. Und die Schrift sagt, dass der Herr Moses als einen Freund kannte (33,11). Das sagt uns, dass Moses Gott „sah“ (oder: kannte), wie kein Mensch vor ihm. Moses gewann eine intime Erkenntnis und ein intimes Verständnis von Gottes Herz, wegen der Qualitätszeit, die er mit ihm verbrachte.

Nun, das alles fand zu einer kritischen Zeit in der Geschichte Israels statt. Die Israeliten hatten gerade eine blasphemische Sünde gegen den Herrn begangen. Sie hatten ihren Schmuck eingeschmolzen und zu einem Götzenbild in der Gestalt eines goldenen Kalbes geformt. Und sie beteten dieses Götzenbild an und tanzten in einem dämonischen Delirium um das goldene Kalb.

Doch Israels Götzendienst beinhaltete mehr als das Anbeten des goldenen Kalbes. Die Menschen versteckten auch kleine Götzenbilder in ihren Zelten und beteten sie heimlich an. Die Schrift sagt uns „Ihr nahmt das Zelt des Moloch mit und das Sternbild des Gottes Räfan, die Bilder, die ihr gemacht hattet, sie anzubeten“ (Apostelgeschichte 7,43).

All das provozierte Gott zum Zorn. Er sagte Moses: „Und nun lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte, dich aber will ich zu einer großen Nation machen“ (2. Mose 32,10). Es ist wichtig, hier zu beachten, dass Moses nicht mit dem Rest Israels gesündigt hatte. Er war während dieser ganzen Zeit auf dem Berg beim Herrn gewesen. Doch Moses übernahm trotzdem Verantwortung für das Handeln des Volkes. Als Führer Israels identifizierte er sich mit der Sünde des Volkes und erklärte: „Dieses Volk hat eine große Sünde begangen: sie haben sich einen Gott aus Gold gemacht“ (32,31).

Moses wusste, dass der Herr ein Recht hatte, das ganze Lager zu verzehren. Aber dies schuf ein Problem. Schließlich waren die Israeliten Gottes auserwählte Nation. Die Priester und Leviten waren seine ordinierten Geistlichen und der Herr hatte einen Bund mit ihnen. Also versuchte Mose, mit Gott zu argumentieren, indem er sagte: „Ja, Herr, sie sind dein Volk. Und sie haben eine furchtbare Blasphemie begangen. Du hast ihnen nichts als Liebe gezeigt, aber sie haben im Angesicht deines großen Lichtes gesündigt.

Aber Herr, sie sind immer noch dein Volk. Und wenn du es abschneidest, werden wir verloren sein. Wir haben keinen anderen Ort, an den wir gehen können. Wir haben niemanden, dem wir uns zuwenden könnten, keine andere Hoffnung. Wir könnten genauso gut unsere eigenen Gräber schaufeln, hier niedersitzen und darauf warten, zu sterben.“

Bedenken Sie das Dilemma, das dies für Moses darstellte. Er kannte Israels sündige Natur aus erster Hand. Die Herzen der Menschen neigten klar zum Rückfall. Am Ende seiner Tage würde Moses sie daran erinnern: „Von dem Tag an, als du aus dem Land Ägypten herausgezogen bist, bis ihr an diesen Ort kamt, seid ihr widerspenstig gegen den Herrn gewesen“ (5. Mose 9,7). Doch Moses war sich auch seiner eigenen Sünde bewusst. Obwohl er sich nicht vor dem goldenen Kalb verbeugt hatte, wusste er, dass seine eigene menschliche Gerechtigkeit für Gott nicht annehmbar war.

Jetzt, als sich Moses mit diesem Dilemma konfrontiert sah, war er beunruhigt. Es war, als würde er sagen: „Herr, du hast jedes Recht, uns auf der Stelle zu richten. Ich würde wahrscheinlich genau dasselbe tun, wenn ich du wäre. Aber ich habe ein Problem bekommen. Etwas an dieser Krise betrifft mich persönlich.

Du sagtest, dass du mich beim Namen kennst. Du kennst jede meiner Bewegungen, mein Aufstehen und Niedersitzen. Ich habe eine Intimität mit dir gehabt und Gnade in deinen Augen gefunden. Aber, Herr, ich bin jetzt in einer Krise wie nie zuvor. Und da ist etwas, das ich in dieser Situation nicht über dich weiß. Es ist etwas sehr Wichtiges und ich muss es wissen.

Wenn ich in deinen Augen Gunst gefunden habe, dann zeige mir bitte, wie du zu deinem Volk stehst, wenn es in Sünde vorgefunden wird. Zeige mir, wo ich jetzt, in dieser Krise, vor dir stehe. Bin ich noch dein Freund? Stehe ich noch in deiner Gnade? Sind wir, dein Volk, immer noch unter deiner guten Gnade? Ich habe deine Fürsorge uns gegenüber in jeder Schwierigkeit gesehen. Aber ich kenne dich jetzt, in dieser gegenwärtigen Krise, nicht. Ich weiß nicht, wie du auf unsere Sünde reagieren wirst.“

In dieser Szene repräsentiert Moses mehr als nur den Führer Israels. Er repräsentiert ein Volk Gottes, das gegen den höchsten Himmel gesündigt hat. (Ebenso verurteilte ihn seine eigene Sünde aus Gottes Sicht. Die Schrift sagt, dass alle gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verfehlt haben.)

Schließlich schrie Moses heraus: „Lass mich doch deine Wege erkennen, so dass ich dich erkenne“ (2. Mose 33,13). Das original Hebräisch liest sich hier: „Zeige mir dein eigenes Selbst“, mit dem Wort „Selbst“, das mit „Herz“ übersetzt wird. Moses sagte damit: „Gott, ich muss dein Herz kennen. Ich brauche eine neue Offenbarung deiner Herrlichkeit. Du musst mir hier etwas von dir selbst zeigen, um meine Theologie zurechtzurücken. Ich weiß nicht, wie ich mich dir in dieser Art von Krise nähern soll. Ich weiß nicht, wie ich dich wegen Gnade suchen soll, oder nicht einmal, wie ich daran glauben soll.“

Wir müssen in Moses Fußstapfen treten. Wie reagieren wir Gott gegenüber, wenn wir wissen, dass wir seinen Zorn verdienen? Es kommt nicht darauf an, für wie „groß“ oder „klein“ wir unsere Sünde halten mögen. Jede Sünde ist groß genug, um sein Gericht zu verdienen.

Wie Moses mögen wir große Intimität mit Gott gehabt haben. Aber es ist möglich, diese Intimität zu beflecken und seine Freundschaft herauszufordern. Wir mögen mit großen Offenbarungen gesegnet sein, aber wir haben gegen das Licht, das uns gegeben wurde, gesündigt. Uns wurde große Liebe gezeigt, aber wir haben in ihrem Angesicht gesündigt. Jetzt steigt ein dringender Schrei in uns auf: „Herr, zeige mir, wie du in dieser Art von Krise bist. Ich muss diese Seite von dir kennen. Wenn ich von Sünde überrascht werde – wenn ich ein goldenes Kalb in meinem Herzen errichte –, wie wirst du mir gegenüber reagieren?“

In unserer Krise wird unser Gewissen von Schuldgefühlen heimgesucht. Tief im Innern ist alles, was wir hören können, dieselbe Stimme des Zorns, die Moses hörte: „Lass mich. Ich werde dich verzehren und hinauswerfen. Immer wieder habe ich dich in meine Arme geschlossen. Ich habe dich durch jede hoffnungslose Situation hindurch getragen. Ich war ein fürsorglicher, liebender Gott für dich. Aber du hast willentlich und ernst gesündigt. Und nun werde ich dich aufgeben. Ich werde einen treuen Diener finden, der auf meinen Wegen geht. Ich habe mein Denken über dich geändert. Ich will dich nicht mehr, du rebellisches Schaf.“

Kurz: Wir sehen uns demselben Dilemma wie Moses gegenüber. Moses kannte Gott als seinen Freund. Aber er wusste nicht, wie Gott war, wenn er mit Sünde in seiner eigenen Versammlung konfrontiert wurde.

Diese Szene zeigt uns, dass es nicht genug ist, Gott als intimen Freund zu kennen. Sehen Sie, auf der menschlichen Seite dieser Beziehung, kann ein Freund das Vertrauen der Intimität verraten. Auf der einen Seite konnte Moses sagen: „Ich kenne Gott als meinen Freund. Und ich weiß, wie er auf meine Bedürfnisse reagiert. Er bietet Versorgung, wie es jeder Freund tun würde. Und wenn ich bete, antwortet er mit Barmherzigkeit.“

Aber nun war Moses mit der Frage konfrontiert: „Wie ist es jetzt, wenn ich ein goldenes Kalb in meinem Leben finde? Was geschieht, wenn ich das Vertrauen meiner Intimität mit dem Herrn verletze? Werde ich weiter in seiner Gunst bleiben? Er ist heilig und rein, und ich habe die Bande des Bundes mit ihm zerrissen. Wie stehe ich nun da, in den Augen meines verletzten Freundes?

Ja, ich habe von Angesicht zu Angesicht mit ihm gesprochen. Ich habe viel Zeit mit ihm verbracht und wir waren in unfassbarer Intimität. Aber das lässt mein Versagen nur noch schlimmer erscheinen. Ich habe schrecklich gesündigt und seinen Geist betrübt. Wie wird er auf mich reagieren? Herr, zeige mir, wer du bist, nicht nur, wenn die Dinge zwischen uns gut stehen. Wenn ich rebelliert und gesündigt habe, wie wirst du reagieren? Wenn ich diese Offenbarung nicht habe, werde ich nicht wissen, welche Stellung ich bei dir habe.“

Da ist eine Offenbarung Gottes, die jeder Christ vollständig verstehen muss. Sie müssen wissen, wie er mit Ihnen umgehen wird, wenn Sie gesündigt haben.

Moses wusste alles darüber, wie Gott an den Bösen handelte. Er hatte mit heiliger Ehrfurcht zugesehen, wie der Herr auf die Härte des Pharaos mit schrecklichem Gericht reagierte. Gott vernichtete die ägyptische Armee, weil sie seine Gesalbten angetastet hatte. Moses sah aus erster Hand, wie sehr Gott die Sünde hasste.

Er sah auch, wie der Herr auf Glauben und Gehorsam reagiert. Moses schaute zu, wie Gott das Rote Meer übernatürliche teilte, damit sein Volk hindurchziehen konnte in die Sicherheit. Auf diese Art kannte Moses Gott als Erlöser.

Mehr noch, Moses kannte Gott in seiner Heiligkeit. Der Herr hatte aus dem brennenden Busch zu ihm gesprochen und gesagt: „Moses, Moses, ziehe deine Schuhe aus. Du bist auf heiligem Boden.“

Aber jetzt, in dieser gegenwärtigen Krise, „kannte“ Moses den Herrn nicht. Er war mit Gottes Natur in einer solchen Situation überhaupt nicht vertraut. Moses erkannte, dass es hier nicht mehr um Intimität ging. Es ging nicht darum, wie viele Stunden er gebetet hatte, oder wie fruchtbar er gewesen war, oder wie treu er gedient hatte. Was immer er in der Vergangenheit über Gott wusste, spielte hier keine Rolle.

Jetzt ging alles darum, wer Gott ist, wenn Sünde in seinen Kindern zum Ausbruch kommt. Moses musste mehr über Gottes Natur wissen, etwas, das für Hoffnung sorgen konnte. Er musste eine weitere Wahrheit über Gott haben, etwas, das das Volk in seine Gegenwart zurückbringen würde, zurück in seine liebende Umarmung.

Moses wusste es nicht, aber Gott war dabei, ihm eine größere Offenbarung seiner Herrlichkeit und seiner Natur zu geben. Diese Offenbarung würde weit über Freundschaft, weit über Intimität hinausgehen. Es ist eine Offenbarung, die Gott alle seine verletzen Leute wissen lassen will.

Der Herr sagte Moses, dass er ihm seine Herrlichkeit zeigen würde: „Ich werde all meine Güte an deinem Angesicht vorübergehen lassen und den Namen Jahwe vor dir ausrufen“ (2. Mose 33,19). Dann sagte er: „Du kannst <es> nicht <ertragen>, mein Angesicht zu sehen, denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben … (Aber) siehe, <hier> ist ein Platz bei mir, da sollst du dich auf den Felsen stellen. Und es wird geschehen, wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, dann werde ich dich in die Felsenhöhle stellen und meine Hand schützend über dich halten, bis ich vorübergegangen bin“ (2. Mose 33,20-22).

Das hebräische Wort für „Herrlichkeit“ in dieser Passage bedeutet „mein eigenes Selbst“. Gott sagte damit Moses: „Ich selbst werde nahe an dir vorübergehen.“ Helen Spurells original Hebräisch sagt es auf dies Weise: „Ich werde dich in einer Höhle des Felsens verbergen und dich mit dem Schutz meiner Macht verteidigen, bis ich vorübergegangen bin.“

Der Herr sagte damit im Wesentlichen: „Ja, du hast mich verfehlt. Aber ich werde dich an einen Ort stellen, an dem du sicher sein wirst. Dieser Ort ist im Innern des Felsens. Und ich will, dass du dort bleibst. Hege keine Zweifel oder Ängste. Ich bin dabei, dir eine Offenbarung davon zu geben, wer ich bin.“

Hier ist das, was Paulus meint, wenn er sagt, dass wir „in Christus verborgen“ sind. Wenn wir Gott verfehlen – wenn wir schwer gegen das Licht sündigen – sollen wir nicht in unserem gefallenen Zustand verweilen. Stattdessen sollen wir schnell zu Jesus laufen, um im Felsen verborgen zu sein. Paulus schreibt: „Unsere Väter [tranken] alle … denselben geistlichen Trank ... denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der <sie> begleitete. Der Fels aber war der Christus“ (1. Korinther 10,1.4).

Kehren wir zu der Szene zurück. Gott spaltete den Felsen und stellte Moses sicher hinein. Er sagte seinem Diener: „Ich selbst werde an dir vorbeigehen. Und ich werde dir mein Herz zeigen. Dann wirst du ein für allemal wissen, wer ich bin. Du wirst das vollständige Bild meiner Natur sehen. Und du wirst mein Herz dir gegenüber in deinen Zeiten des Versagens erkennen.“

Wie Moses müssen auch wir wissen, was es bedeutet, in der Felsspalte sicher zu sein. Andernfalls werden wir bei jedem Scheitern vor dem Herrn weglaufen. Gott verspricht uns: „Ich werde dich nicht nur an einem sicheren Ort verbergen. Ich werde dort meine Hand über dich halten und dich beschützen. Du wirst völlig sicher sein, selbst in der Gegenwart meiner Heiligkeit. Du siehst, dass es noch eine andere Seite meines Wesens gibt, die du kennen musst.

Du hast schwer gesündigt. Aber ich will, dass du in Reue zu mir läufst, in gottgefälliger Betrübnis. Ich werde dich mit meiner Hand absichern, bis du eine klare Offenbarung meiner Barmherzigkeit und Gnade gewinnst. Ich möchte, dass du siehst und verstehst, wer ich bin. Doch wie Moses musst du diese Offenbarung begehren. Du musst schreien: ‚Herr, zeige mir deine Herrlichkeit.’“

Lassen Sie mich hier darauf hinweisen, dass auch Moses Gottes Gesetz gebrochen hatte. Als er vom Berg herabkam und das Volk nackt um das goldene Kalb tanzen sah, war er wutentbrannt. Er nahm die Steintafeln, auf die Gott die Zehn Gebote geschrieben hatte, und zerschmetterte sie auf dem Boden. „Da entbrannte der Zorn Moses, und er warf die Tafeln aus seinen Händen und zerschmetterte sie unten am Berg“ (2. Mose 32,19).

Das war kein heiliger Zorn. Es war der hitzige, menschliche Zorn eines tobenden Mannes. Und es war Sünde. Die Schrift beschreibt Moses als einen sanftmütigen, demütigen Diener Gottes. Aber als genau dieser Diener die Sünde des Volkes sah, brach sein Naturell gewaltsam hervor. Und er brach buchstäblich Gottes Gesetz, indem er die Tafeln zerbrach.

Mich, als ein Diener Gottes, versetzt dies in heilige Furcht. Es sagt mir, dass ich es nicht wagen sollte, in meinem eigenen menschlichen Zorn gegen Sünde im Haus Gottes vorzugehen. Wann immer ich mit fleischlichem Eifer Rache nehmen will, um den Menschen nur Gottes Zorn zu offenbaren, breche ich Gottes Gesetz. Stattdessen muss ich zum Felsen laufen. Ich muss eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes bekommen, seiner liebevollen Freundlichkeit. Und ich muss sein Volk an einen Ort seiner Barmherzigkeit und seines Schutzes zurückführen.

Die nächste Szene zeigt Moses immer noch aus Zorn handeln. Er zermalmte das goldene Kalb zu Pulver. Und er ließ es das Volk mit ihrem Wasser trinken. Dann verurteilte er öffentlich seinen Bruder Aaron, den Hohen Priester. Aaron war so von Schuld und Angst gebeugt, dass er herausschrie: „Der Zorn meines Herrn entbrenne nicht“ (32,22).

Zu diesem Zeitpunkt hatte Moses nur Gottes Zorn gesehen. Er war Zeuge davon, wie der Herr mit Sünde umgegangen war. Aber er hatte die Güte Gottes noch nicht offenbart gesehen. Moses hatte noch immer kein vollständiges Bild von Gottes Herz gegenüber seinem Volk. Und deshalb interpretierte er den Herrn falsch. Er predigte nur ein Halb-Evangelium. Wie Jakobus sagt: „Eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit“ (Jakobus 1,20).

Die Bibel sagt nicht, ob der Herr Moses‘ Zorn bestätigte. Doch was sagten Moses Handlungen zu Israel? Und was sagten sie zur heidnischen Welt? Diese Menschen müssen gedacht haben: „Also, so ist Gott, wenn sein Volk sündigt. Wenn du ein goldenes Kalb errichtest, wird er in Zorn und Wut über dich kommen. Er wird dir bitteres Wasser zu trinken geben. Und er wird deine Familie töten und dich verwerfen.“

Nein, niemals! Solch eine Vorstellung von Gott ist nicht vollständig. Und sie erzeugt nur Angst. Als ein Geistlicher des Herrn weiß ich, dass ich Gottes Zorn nicht predigen kann, ohne auch über seine Barmherzigkeit zu predigen. Ja, der Herr ist gerecht, und ja, er hasst Sünde. Da ist ein Zorn Gottes. Aber er ist auch ein Gott der Liebe. Er ist gnädig, geduldig, barmherzig, vergebend.

Moses handelte allein aus menschlichem Eifer. Er tat all diese Dinge, ohne eine Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes. Er donnerte seine Botschaft: „Ich stehe auf der Seite des Herrn. Kommt zu mir, alle, die ihr gesündigt habt. Ich werde zum Herrn gehen und vielleicht kann ich Sühnung für eure Sünden erwirken“ (siehe 2. Mose 32,30).

Die Bibel sagt, dass dies genau der Grund war, warum Gott Moses nicht erlaubte, in das Verheißene Land hineinzugehen. Moses hatte Gottes Natur, seinen Charakter, seine Herrlichkeit falsch dargestellt. Und der Herr sagte diesem heiligen, sanftmütigen, kostbaren Geistlichen: „Weil ihr treulos gegen mich gehandelt habt mitten unter den Söhnen Israel … weil ihr mich nicht geheiligt habt mitten unter den Söhnen Israel. Denn von der gegenüberliegenden Seite sollst du das Land sehen, aber du sollst nicht in das Land hineinkommen, das ich den Söhnen Israel gebe“(5. Mose 32,51-52).

Hier zeigt sich, wie ernst der Herr dieses Problem, ihn falsch darzustellen nimmt. Moses stellte Gott nicht in seiner Fülle dar, als einen Vater, der seinen Zorn mit Barmherzigkeit mäßigt. Und das hinderte Moses daran, in das Land der Verheißung zu hineinzugehen. Der Herr wies darauf hin: „Ihr [habt] mich nicht geheiligt … unter den Söhnen Israel“ (32,51).

Petrus spricht dieses Problem an, wenn er schreibt: „Haltet den Herrn, den Christus, in euren Herzen heilig! Seid aber jederzeit bereit zur Verantwortung jedem gegenüber, der Rechenschaft von euch über die Hoffnung in euch fordert“ (1. Petrus 3,15). Was genau sagt Petrus damit?

Einfach ausgedrückt: „Stellt in eurem Herzen Gott nicht falsch dar.“ Mit anderen Worten: „Festigt in eurem Denken ein für allemal das Thema des Charakters Gottes.“ Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir eine feste Grundlage für unsere Hoffnung bekommen können. Sehen Sie, wenn wir nicht wissen, wie Gott auf seine Kinder reagiert, sowohl in treuen als auch in rebellischen Zeiten, wie können wir ihn dann anderen richtig mitteilen? Wir werden ihn nur als fordernden Richter darstellen, weil wir ihn nicht als liebenden Vater kennen wollen.

„Die Hoffnung in euch“ (1. Petrus 3,15). Petrus sagt damit: „Der Grund für eure Hoffnung ist, dass ihr eine Erfahrung mit dem Herrn gemacht habt. Ihr versagtet vor ihm jämmerlich. Ihr errichtetet ein goldenes Kalb in eurem Leben. Aber dann kamt ihr zu dem Felsen zurück. Ihr verbargt euch in der Felsspalte, wo ihr seine schützende Hand fühltet. Und ihr schmecktet seine Vergebung, Barmherzigkeit und Liebe. Er holte euch in seine Umarmung zurück. Und er hat euch wiederhergestellt, wobei er euch veranlasst hat, in ihm zu wachsen. Ihr kennt jetzt den Herrn nicht nur als einen heiligen Gott, sondern auch als einen barmherzigen Vater.

Festigt nun diese wahre Offenbarung der herrlichen Natur Gottes in eurem Herzen. Sie ist der wahre Grund eurer Hoffnung. Ihr wisst, dass ihr nicht vor Gott zu fliehen braucht, wenn ihr von Sünde überrascht oder überwältigt werdet. Und ihr braucht nicht in der Schuld zu verharren. Ihr könnt in Reue zurückkommen und euch im Felsen bergen. Dort werdet ihr alle Barmherzigkeit und Liebe finden, die ihr braucht.“

Also, was war die große Offenbarung, die Gott Moses über sich selbst gab? Was ist die Wahrheit über ihn, die wir in unseren Herzen heiligen sollen? Sie ist:

„Darauf sprach der Herr zu Mose: … halte dich für den Morgen bereit und steige am Morgen auf den Berg Sinai … Da stieg der Herr in der Wolke herab, und er trat dort neben ihn und rief den Namen des Herrn aus. Und der Herr ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden <von Generationen>, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, <sondern> die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten <Generation>“ (2. Mose 34,1-2.5-7).

Hier war die größere Offenbarung, das vollständige Bild dessen, wer Gott ist. Der Herr sagte zu Mose: „Komm am Morgen herauf zu diesem Felsen. Ich werde dir eine Hoffnung geben, die dich bewahren wird. Ich werde dir mein Herz zeigen, wie du es nie zuvor gesehen hast.“ Wie war Gottes Herz? Was war die „Herrlichkeit“, die Moses von Gott erflehte?

Hier ist die Herrlichkeit: ein Gott, der „barmherzig und gnädig“ ist, „langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt.“

Christus ist der volle Ausdruck dieser Herrlichkeit. In der Tat ist all das, was im Vater ist, im Sohn verkörpert. Und Jesus wurde auf die Erde gesandt, um diese Herrlichkeit zu uns zu bringen. Zur Zeit Moses‘ war Christus natürlich noch nicht leibhaftig da, obwohl er in Gott war. Doch wir sehen, dass alles, was Gott hier über seine eigene Natur verkündet, in Jesus verkörpert ist. Christus ist barmherzig und gnädig, voller Wahrheit, rein und gerecht, doch er vergibt Sünde.

Nun, fragen Sie: „Was ist mit dem letzten Vers? Gott sagt, dass er die Schuldigen nicht ungestraft lässt. Wie kann das sein, wenn er barmherzig und vergebend ist?“ Der Vers liest sich so: „(Ich lasse) keineswegs ungestraft ... sondern [suche] die Schuld der Väter [heim] an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten Generation“ (34,7).

Gott sagt damit im Wesentlichen: „Hier ist meine Herrlichkeit: Ich biete euch Barmherzigkeit, Gnade, Liebe und Vergebung in Fülle. Aber wenn ihr diese Herrlichkeit ablehnt – wenn ihr euer Herz verhärtet, eure Sünde liebt und euch weigert, zu mir umzukehren – wenn ihr nicht rasch bereut und auf meine Bundesverheißungen vertraut, euch zu bewahren – dann seid ihr der schlimmsten aller Sünden schuldig. Ihr werdet mich abgelehnt haben. Ihr werdet euch von meiner liebenden Umarmung abgewendet haben.“

Tatsache ist: Es gibt keine Heilung außerhalb der Umarmung Jesu. Vielleicht können Sie bezeugen, große Intimität mit dem Herrn zu haben, viel zu beten, machtvolle Offenbarungen zu empfangen. Aber haben Sie schon „Christus in Ihrem Herzen geheiligt“? Kennen Sie die Hoffnung seiner reichen Barmherzigkeit in Zeiten des Versagens und der Rebellion? Können Sie jedem, der Sie fragt, von dieser Hoffnung erzählen? Können Sie bezeugen, von Jesus wiederhergestellt worden zu sein, nachdem Sie sich einem „goldenen Kalb“ gebeugt haben? Können Sie anderen Menschen dieselbe Hoffnung anbieten, damit sie genauso zu Christus laufen können wie Sie?

Sie mögen sich fragen: Was geschieht mit sündenanfälligen Gläubigen, die diese Offenbarung Christi in seiner reichen Herrlichkeit ergreifen? Wenn sie seine Gnade empfangen, und wiederhergestellt werden, werden sie in der Sünde fortfahren? Wird diese Offenbarung der reichen Liebe sie veranlassen, die Sünde leicht zu nehmen?

Wir brauchen nur Moses‘ Reaktion auf diese wunderbare Offenbarung zu betrachten. Was dieser Mann als nächstes tat, beeindruckt meine Seele: „Da warf sich Mose eilends zur Erde nieder, betete an und sagte: Wenn ich doch Gunst gefunden habe in deinen Augen, Herr, so möge doch der Herr in unserer Mitte <mitgehen>! Wenn es auch ein halsstarriges Volk ist, vergib uns aber <dennoch> unsere Schuld und Sünde und nimm uns als Erbe an!“ (2. Mose 34,8-9).

Moses fiel sofort in Anbetung auf sein Angesicht. Ihm war eine machtvolle Vision von Gottes unfassbarer Barmherzigkeit und Liebe gegeben worden. Und nun trat ein erneuerter Hunger nach der Gegenwart des Herrn in ihm auf. Plötzlich war da ein größerer Schrei nach Vergebung in seinem Herzen. Und er begann, seine Sünden freimütig zu bekennen und für das Volk Fürbitte zu tun.

Was war Ursache dieser Veränderung? Es war die Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes. Es war eine mächtige Offenbarung über das liebende Herz des Vaters. Moses wusste, dass ihm vergeben war. Ich frage mich, ob er sich später selbst fragte: „Warum habe ich Aaron nicht still zur Seite genommen, um ihn zu konfrontieren? Warum habe ich so schnell das Schwert gezogen? Hätte ich doch nur diese Offenbarung der Herrlichkeit Gottes gehabt.“

Hier ist, wie der Herr auf Moses‘ Schrei reagierte: „Siehe, ich schließe einen Bund: Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie bisher nicht vollbracht worden sind auf der ganzen Erde und unter allen Nationen. Und das ganze Volk, in dessen Mitte du lebst, soll das Tun des Herrn sehen; denn furchterregend ist, was ich an dir tun werde“ (34,10). Das original Hebräisch in diesem letzen Satzteil wird übersetzt: „Wahrlich ist es die Furcht des Herrn, die ich in dich hineinlegen werde“ (Helen Spurrell).

Gott sagte damit: „Deine beste Zeit liegt noch vor dir, Moses. Ich werde inmitten meines Volkes Wunder vollbringen. Und was ich tue, wird meine heilige Furcht in dich legen, genauso wie in jene um dich herum.“ Einfach ausgedrückt: Die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes würde die gottgefällige Furcht erzeugen.

Liebe Heilige, heiligen Sie diese Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes in Ihrem Herzen. Sie können durch Moses‘ Beispiel sicher sein, dass es nicht zur Sünde führen wird. Tatsächlich, wenn Sie die reiche Liebe des Herrn wirklich annehmen, wird sie Sie sogar zur Anbetung bewegen. Sie werden beten: „Herr, was für ein Gott bist du, dass du mich trotz meines Versagens liebst? Was für ein Gott würde mich in meiner Sünde vorfinden und mich zur Spalte im Felsen zurückbringen? Oh, was für einem Gott ich diene! Ich möchte, dass die Welt von dir weiß.“

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Bibelstellen – soweit nicht anders angegeben – nach der Elberfelder Bibel 2006. Die angegebenen Versnummern können bei einigen Bibelausgaben abweichen.